Werden deutsche Unternehmen in China diskriminiert?

Werden deutsche Unternehmen in China diskriminiert?

In letzter Zeit häufen sich Meldungen, wonach deutsche Unternehmen in den Fokus der chinesischen Wettbewerbshüter geraten sind. Dabei werden Anschuldigungen von Diskriminierung bis Protektionismus laut. Bei genauerem Hinsehen entbehren diese jedoch oft einer Grundlage.

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Audi mit Pekinger Kennzeichen / Fotos: Tim Wang (flickr.com)

Ausländische Unternehmen und ihre Verbände in der VR China schlagen Alarm: Man sei in zunehmendem Maße mit der Frage konfrontiert, ob ausländische Unternehmen in unverhältnismäßiger Weise Ziel von Untersuchungen würden. Vorausgegangen waren Razzien in Autohäusern namhafter westlicher Hersteller. Wegen angeblich unzulässiger Preisabsprachen unter den Herstellern drohten Strafen in Millionenhöhe. Die Beteiligten lenkten umgehend ein und erklärten sich zu freiwilligen Strafzahlungen bereit. Mittlerweile haben fast alle Hersteller als Konsequenz deutliche Preisabschläge auf Ersatzteile und Reparaturen bekanntgegeben. Offiziell wird dies nicht kommentiert, unter der Hand macht sich indes Unmut breit. Zulieferer beklagten sogar, sie würden neuerdings ebenfalls zu Joint Ventures mit chinesischen Partnern gedrängt. Dies käme einer faktischen Enteignung gleich, wobei geistiges Eigentum nur einen Aspekt ihrer Besorgnis ausmache.

Chinesische Autohersteller kämpfen mit Qualitätsproblemen

Die chinesischen Automobilhersteller verlieren in letzter Zeit zunehmend Marktanteile. Nachdem die ausländischen Unternehmen anfangs mit einer wachsenden Konkurrenz aus dem Reich der Mitte gerechnet hatten, erweisen sich die Probleme der chinesischen Hersteller in puncto Qualität doch als schwerwiegender. Dies gilt auch und besonders auf dem Heimatmarkt, denn chinesische Verbraucher sind beim Statussymbol Auto eher qualitäts- als preisbewusst. Daher liegt der Verdacht nahe, dass man staatlicherseits die heimische Industrie stärken und in einer politisch motivierten, konzertierten Aktion gegen ausländische Unternehmen vorgehen wollte. Einer rechtlichen Grundlage entbehre es dabei insofern, als von Monopolen bereits begriffslogisch keine Rede sein könne, wenn gleichzeitig 15 Hersteller untersucht würden. Von einem Monopol ist nämlich streng genommen nur dann die Rede, wenn auf der Angebotsseite nur ein Verkäufer vorhanden ist.

Die Kritik erscheint umso berechtigter, als das chinesische Wirtschaftssystem selbst von chinesischen Wissenschaftlern als nur teilweise marktorientiert bezeichnet wird. Der andere Teil gilt als politisch kontrolliert, und zwar von einem bekanntlich autoritär organisierten System. Nicht umsonst wird der VR China daher innerhalb der WTO bis heute nicht der Status einer Marktwirtschaft zuerkannt. Fairer Wettbewerb wiederum gilt als ureigenstes Element einer Marktwirtschaft. Was also soll fair sein an einem staatlich gelenkten Wettbewerb?

Grundlagen der Marktregulierung

Das chinesische Wettbewerbsgesetz, genannt Anti-Monopolgesetz (AMG), wurde 2008 verabschiedet. Es stellt zusammen mit der Verordnung über Preiskartelle und der Verordnung bezüglich des Verwaltungsverfahrens gegenüber Preiskartellen die gesetzliche Grundlage zur Gewährleistung eines funktionierenden Wettbewerbs dar. Das Gesetz war lange diskutiert und nach seiner Verabschiedung von allen Seiten sehr gelobt worden. Wie immer hat sich der chinesische Gesetzgeber ausführlich im Ausland erkundigt und danach ein Gesetz aus der Taufe gehoben, das eine zwar kontinentaleuropäisch geprägte, aber ansonsten moderne Mischung international anerkannter Grundsätze darstellt, die mit einigen chinesischen Besonderheiten garniert ist.

Das Gesetz ist in acht Kapitel aufgeteilt und behandelt neben Kartellabsprachen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Unternehmenskonzentrationen, Fälle von Verwaltungsmissbrauch, entsprechende Ermittlungen und schließlich die Haftbarkeit. Die verwandten Begriffe entsprechen internationalen Definitionen, erlauben jedoch mitunter weite Interpretationen. Der besondere Zusammenhang zu geistigen Eigentumsrechten (IP) wird erkannt, das Gesetz ist daher nur auf solche Missbräuche von IP anwendbar, die Wettbewerb ausschließen oder einschränken (Art. 55 AMG).

Unterschiedliche Zuständigkeiten im Kartellrecht

Eine alleinzuständige Kartellbehörde existiert in China nicht. Stattdessen wurden die Zuständigkeiten zwischen der mächtigen Reformkommission NDRC, dem Wirtschaftsministerium MOFCOM und den Verwaltungsbehörden für Industrie und Handel SAIC aufgeteilt. Sie befinden über Sanktionen und Strafen, die laut AMG zwischen 1 und 10 Prozent des vorangegangenen Jahresumsatzes ausmachen können. Wie aber wurden diese Vorschriften nun angewandt, sind die deutschen Hersteller Opfer chinesischer Justizwillkür geworden?

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Der Fall Mercedes

Mercedes Benz ist natürlich immer eine Schlagzeile wert, gilt doch der Stern als das Symbol deutscher Autobauerkunst schlechthin. Bis spät in die Nacht wurden im Juli dieses Jahres in der Provinz Jiangsu verschiedene Autohäuser durchsucht, Material beschlagnahmt und leitendes Personal befragt. Der Vorwurf lautete auf vertikale Preismanipulationen. Das sind solche zwischen Unternehmen in unterschiedlichen Wettbewerbsstufen, wie sie etwa zwischen einem Hersteller und einem Händler bestehen. Das Privileg selektiver oder exklusiver Händlernetze wurde in der EU bereits vor längerem vom Wettbewerbskommissariat eingeschränkt. Vertikale werden von horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen unterschieden, welche zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen bestehen. Solche werden etwa BMW in Hubei vorgeworfen. In anderen Fällen sind bisher keine konkreten Vorwürfe bekannt, stattdessen aber die Höhe von Strafzahlungen – im Fall von Audi etwa 30 Millionen Euro.

Die deutschen Automobilhersteller besitzen in China zusammen genommen einen Marktanteil von etwa 70 Prozent. Das ist immer noch kein Monopol im oben genannten Sinne, aber darum geht es auch im chinesischen Wettbewerbsrecht nicht. Vielmehr verbietet das AMG sogenannte monopolistische Verhaltensweisen, nämlich Wettbewerbsabreden, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und die wettbewerbsbeschränkende oder -ausschließende Konzentration von Unternehmen. Hinsichtlich der vorgeworfenen Preisabsprachen wäre daher das AMG einschlägig. Trotzdem waren die Betroffenen offenbar gänzlich unvorbereitet.

Nicht nur die Automobilbranche ist betroffen

Dabei hätten sie mit etwas Marktbeobachtung erkennen können, dass sich etwas zusammenbraut. Denn vor der Automobilbranche waren bereits Microsoft, Qualcomm, Starbucks, GlaxoSmithKline, Apple, Mc Donald’s, Fonterra, Bausch + Lomb, Johnson & Johnson und etliche andere untersucht worden. Mit dem Ergebnis, dass nun sogar manche ihrer Führungskräfte in Haft sind. Alles ausländische Unternehmen, stimmt. Aber auch Moutai, ebenso wie China Unicom und China Telecom, Huawei sowie verschiedene chinesische Zementhersteller sind den Wettbewerbsbehörden zum Opfer gefallen. Und auch die chinesischen Joint-Venture-Partner ausländischer Automobilherstellern bleiben nicht mehr verschont.

Wettbewerbsrechtliche Entscheidungen gibt es bislang nur wenige. Ob die Vorwürfe nach dem AMG in den genannten Fällen zutreffen, wird wohl ebenfalls nicht gerichtlich entschieden werden. Dies könnte mit dem Mangel an Vertrauen in die chinesische Justiz zusammenhängen. Sicherlich nicht ganz unberechtigt, wobei auch hier einiges in Bewegung ist. In Wirtschaftssachen jedenfalls gelten die chinesischen Gerichte zunehmend als kompetent und unparteiisch. Der Grund für die zügige Zahlungsbereitschaft dürfte ein anderer sein.

Tatsächlich sind zahlreiche Produkte der genannten Hersteller teurer als im Ausland. Und das bei etwa einem Bruchteil der Kaufkraft und nach wie vor relativ niedrigen Löhnen. Das mag an entsprechenden Steuern und Abgaben in der VR China liegen. Solche bestehen tatsächlich, jedoch nicht annähernd in einem Umfang, der solche Preisunterschiede erklären könnte. Zumal die heftigen Einfuhrsteuern aufgrund von eigenen Produktionen in China nur noch von untergeordneter Bedeutung sind. Auch die steigenden Immobilienpreise können es kaum sein, denn westliches Niveau erreichen diese trotz allem nur an wenigen Orten. Der Zwang zu mehr Joint Ventures wiederum ist derzeit nicht belegt – zumindest nicht durch die einschlägigen Vorschriften und Investitionskataloge.

Warum gerade jetzt?

Insgesamt lassen sich damit keine Diskriminierungen oder übermäßig protektionistischen Tendenzen verifizieren. Allerdings mag man sich fragen, warum der Wind aus Osten ausgerechnet in letzter Zeit so viel rauer bläst. Aktueller Anlass in der Autoindustrie war offenbar eine Fernsehsendung, bei der Zuschauer ihrem Unmut Luft gemacht hatten. Die Medien in China sind zwar staatlich und zensiert, nichtsdestotrotz liegt dem Vorgang ein Paradigmenwechsel zugrunde, bei dem einzelnen Bürgern als Verbrauchern eine zunehmende Bedeutung beigemessen wird. Das verdeutlicht zuletzt ein neues Verbraucherschutzgesetz. Denn die chinesischen Konsumenten haben wenig Vertrauen in lokale Produkte. Kein Wunder nach den zahllosen Lebensmittelskandalen der letzten Jahre. Dieses Misstrauen wird mittlerweile nicht mehr nur als mögliche Gefährdung des chinesischen Wirtschaftswachstums gewertet, sondern auch als politisch brisant. Es ist daher im ureigenen Interesse der chinesischen Regierung, neben Gesundheitsgefährdungen auch überhöhte Preise und entsprechende Absprachen in Zukunft rigoros zu verhindern. Denn auch ein funktionierender Wettbewerb dient letztendlich dem Verbraucher.

Die Konsequenzen: Ein Mehr an Markt und Demokratie?

Dieser Trend ist eigentlich zu begrüßen. Denn er zeigt, dass sich das Land trotz allem politisch und gesellschaftlich weiterentwickelt. Wer schon immer Wandel durch Handel propagierte, dem kann es daher nur recht sein, dass chinesische Bürger gehört und fairer Wettbewerb gewährleistet werden sollen. Auf der Kehrseite werden sich die Margen westlicher Unternehmen in China sicherlich weiter verringern. Angesichts weithin bekannter Absatzschwächen gerade der Automobilhersteller in Europa bleibt ihnen aber immer noch ein gutes Geschäft. Das weiß auch die chinesische Regierung, die selbstverständlich nicht ganz unbeteiligt ist an den neuesten Entwicklungen. Es wäre allerdings naiv, eine solche Abstimmung nur für eine Regierung in China anzunehmen. Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass das derzeitige Regulierungsvorgehen erst der Anfang ist. Günstigstenfalls stehen am Ende ein Mehr an Markt und ein Mehr an Demokratie.

Dieser Beitrag erschien am 04.09.2014 im Nachrichtenmagazin 21China unter http://www.21china.de/wirtschaft/werden-deutsche-unternehmen-in-china-diskriminiert/