Verbot zur Einmischung in die Justiz

Vor einigen Tagen wurde eine Bestimmung erlassen, wonach sich Kader nicht in die Aktivitäten der Justiz einmischen sollen (领导干部干预司法活动、插手具体案件处理的记录、通报和责任追究规定). Hintergrund ist, dass Richtern zwar formell Unabhängigkeit gewährt wird, den Parteikomitees für Politik und Recht auf den jeweiligen Ebenen jedoch faktisch eine Letztentscheidungsbefugnis verbleibt. Dort sind dann jeweils sogenannte Kader – eine Bezeichnung für Führungskräfte in sozialistischen Staaten – dafür zuständig, die Gerichte politisch anzuweisen und ihre Tätigkeit zu kontrollieren. Hintergrund ist auch, dass die chinesische Justiz als solche keine unabhängige Gewalt im Staat ist und seit jeher unter Korruption und Lokalpatriotismus leidet. Während die Gesetzgebung in vielen Bereichen bereits ein hohes Niveau erreicht hat, mangelt es besonders auf den lokalen Ebenen noch erheblich an einer einheitlichen und wirksamen Umsetzung der Gesetze. Mangels Gewaltenteilung soll der Gedanke der Kontrolle der Justiz durch eben die genannten Kader verwirklicht werden. Tatsächlich aber sind auch hier Politik und Regierung zu eng miteinander verzahnt, nicht zu vergessen die lokale Wirtschaft, als dass dieser Gedanke funktionieren könnte.

Im Gegenteil, oftmals geht Rechtsbeugung gerade von Kadern aus. Darauf zielt nun diese jüngste Bestimmung. Den Justizorganen sollen Mittel gegenüber dem überbordenden Einfluss der Kader an die Hand gegeben werden. Das Prinzip der politischen Unterstützung und Anleitung soll dabei durchaus beibehalten werden. Allerdings ist es der Justiz fortan verboten, auf ungesetzliche Forderungen drr Kader einzugehen und aus Gefälligkeit von Vorschriften abzuweichen. Das Justizpersonal soll vielmehr derartige Forderungen und Vorfälle dokumentieren und dabei gleichzeitig vor Repressalien seitens der Kader geschützt werden. Einzelne Aktivitäten wie etwa Ermittlung, Beweisführung oder Protokollierung sollen stattdessen unabhängig erfolgen. Auch über konkrete Fälle soll zwar jeweils informiert werden, jedoch dürfen keine direkten Eingriffe mehr erfolgen. Kadern wiederum drohen in diesem Zusammenhang innerparteiliche Disziplinarverfahren bis hin zu Strafverfahren.

Die Bestimmung legt die Defizite des chinesischen Justizwesens in erschreckender Deutlichkeit offen. Ganz sicher setzt sie damit zwar ein wichtiges Signal. In der Praxis ist indes schwer vorstellbar, dass sich das Justizpersonal, das ja seinerseits von der Gunst der mächtigen Kader abhängig ist, im Einzelfall tatsächlich gegen diese stellt.