Covid-19 unter Kontrolle?

Bildquelle: Www.webintravel.com

Die neuste Covid-19-Epidemie trifft die chinesische Wirtschaft zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Auch ausländischen Unternehmen machen ausbleibende Kunden, Produktionsstopps, unterbrochene Lieferketten, Transportengpässe und die allgemeine Unsicherheit zu schaffen.

Das interne Drehbuch der Partei sieht bei plötzlichen Ereignissen, die zu sozialen Unruhen führen könnten, seit jeher drei Regieanweisungen vor: (1) Soziale Stabilität (wieder-) herstellen, (2) sämtliche Medien und Meinungen kontrollieren sowie (3) drastischer Aktivismus, der den Eindruck von Reaktions- und Handlungsfähigkeit vermittelt. So umgesetzt auch im Fall der jüngsten Virusepidemie, Punkt 3 deutlich sichtbar am live übertragenen Bau zweier Krankenhäuser in Rekordzeit. Aber auch die anderen beiden Aspekte wurden nicht vernachlässigt.

Soziale Stabilität

In seinem ersten öffentlichen Auftritt nach Ausbruch der Epidemie kündigte Präsident Xi Anfang Februar gesetzliche Maßnahmen zum Erhalt der sozialen Stabilität an. Demnach werden nun öffentliche Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und – flankiert von entsprechenden Ansichten des Obersten Volksgerichts – eine effektive Bestrafung von Personen ermöglicht, die der Bekämpfung der Covid-19-Epidemie als Bedrohung der öffentlichen Ordnung im Weg stehen (关于依法惩治妨害新型冠状病毒感染肺炎疫情防控违法犯罪的意见). Daneben wird die Verabschiedung eines Gesetzes zur Biosicherheit forciert, was indes erst für die Zukunft Wirkung entfalten kann.

Lokale Behörden und Parteimitglieder wurden ganz allgemein angewiesen, die durch das Coronavirus Covid-19 ausgelöste Krise zeitnah einzudämmen. Gleichzeitig sollen sie – ebenfalls ganz allgemein – die Wirtschaft wieder auf Kurs bringen, die sich ebenfalls noch im Ausnahmezustand befindet.

Kontrolle über Informationen

Der Informationsfluss wird mittlerweile vollständig kontrolliert, seit einiger Zeit kommen Neuigkeiten ausnahmslos durch die sorgfältigen Filter von Peking. Unabhängige Quellen werden rigoros mundtot gemacht, wie schon geschehen beim gestorbenen Arzt Wenliang Li. Während etwa der Aktivist Bin Fang und der Anwalt Qiushi Wen verschwunden sind, melden die Staatsmedien fröhliche und heroische Geschichten von der Krankheitsfront, die das Wir-Gefühl der Bevölkerung stärken sollen. Das Justizministerium weist ausdrücklich darauf hin, dass die Kontrolle von Informationen in diesem Zusammenhang absoluten Vorrang genießt.

Think central – act local

Folgerichtig ist mittlerweile zu hören, dass man die Situation im Griff habe und die Erstinfektionen zurückgingen. Das wäre schön, wirft aber vor dem beschriebenen Hintergrund Zweifel auf. Zumindest in der Vergangenheit war es stets so, dass lokale Stellen unter Erfolgsdruck geschönte Zahlen präsentiert und aus Angst vor Fehlern wenig Aktivität entfaltet haben. Wie auch sollen sie gleichzeitig eine Epidemie eindämmen und die Wirtschaft beleben, mag man sich fragen. Endgültig gelöst ist das Problem jedenfalls noch nicht, selbst Optimisten rechnen mit weiteren 1, 2 Monaten Ausnahmezustand. 

Tochterunternehmen vor Ort

Unternehmen mit Verbindungen zu China – heutzutage die allermeisten – stehen insofern vor einigen offenen Fragen. Besonders betroffen sind solche mit Niederlassungen vor Ort, denn viele Mitarbeiter können nicht regulär zur Arbeit kommen. In diesem Zusammenhang wurden sogar ergänzende Anleitungen zum arbeitsrechtlichen Umgang mit der Covid-19-Epidemie erlassen. Nachvollziehbares Ziel ist es, möglichst viele Angestellte im Arbeitsverhältnis zu belassen. Dazu sollen in erster Linie einvernehmliche Lösungen gefunden werden. Abwesendem Personal kann schon jetzt lediglich der Mindestlohn ausgezahlt werden. Während das chinesische Arbeitsrecht derzeit kaum Raum für Kündigungen bietet, sähe die Situation bei einem Anhalten des Ausnahmezustands vermutlich anders aus.  

Force Majeure

Was chinesische Unternehmen derzeit nicht produzieren können, macht sich zunehmend im In- und Ausland bemerkbar. Früher oder später können daher bestehende Liefer- und Transportverträge nicht eingehalten werden, kommen ganze Lieferketten durcheinander. Ist das dann ein Fall höherer Gewalt (Force Majeure), der sanktionslos von der Lieferverpflichtung befreit? Im Grunde genommen wohl schon, jedoch kommt es stark auf die Ausgestaltung entsprechender Klauseln und den zugrundeliegenden Rechtsrahmen an. Oder gar ein Fall von Unmöglichkeit? Für die Versicherung? In diesem Durcheinander wird man vernünftigerweise auch hier zunächst das Gespräch suchen.

Es mag die Erkenntnis bleiben, dass die Zeiten endgültig vorbei sind, in denen man alleine auf China als Zugpferd setzen konnte. Im Handelsstreit mit den USA ist das nicht gerade ein Joker für die Volksrepublik.