Berechnung von EU-Kartellbußen anhand konzerninterner Umsätze

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 9. Juli 2015 entschieden, dass bei der Berechnung von Kartellbußen auch Umsätze zu berücksichtigen sein können, die auf eine Zuwiderhandlung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zurückgehen. Im vorliegenden Fall hatten sich insgesamt sechs große internationale Hersteller von LCD-Bildschirmen aus Südkorea und Taiwan im Zeitraum von 2001 bis 2006 abgestimmt. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) verurteilte die Hersteller auf der Grundlage der entsprechenden Durchführungsverordnung zu Art. 101, 102 AEUV wegen unmittelbarer Verkäufe im EWR bzw. wegen unmittelbarer Verkäufe durch Verarbeitungsprodukte im EWR. Die Geldbuße betrug insgesamt etwa 650 Mio. Euro, wobei etwa die Hälfte dieser Summe auf den taiwanischen Konzern InnoLux entfiel, der sich daraufhin gegen das Urteil wehrte.   

Die Berufung blieb ohne Erfolg, das Gericht bestätigte, dass bei der Berechnung der Buße die Umsätze der Endprodukte im EWR anteilig der kartellbefangenen LCD zugrunde gelegt werden können. Die LCD waren außerhalb des EWR hergestellt, dort in Endprodukte eingebaut und dann an unabhängige Dritte im EWR verkauft wurden. Wesentliches Unterscheidungskriterium war, dass die ausländischen Produktionsstätten, die die kartellbefangenen Produkte in die Endprodukte eingebaut hatten, als einheitliches Unternehmen (nämlich InnoLux) im Sinne von Art. 101 AEUV angesehen wurden. In diesem Fall dürfe die Kommission ihren Wirkungsbereich ausdehnen, ohne ihre territoriale Zuständigkeit zu verletzen. Von einer Diskriminierung derart vertikal integrierter Unternehmen sei nicht auszugehen sei, denn die Umsätze, auf die sich die Zuwiderhandlungen beziehen, würden ansonsten von unabhängigen Drittunternehmen erzielt. In einem vorangegangenen Grundsatzurteil war bereits festgestellt worden, dass der Umsatz, der bei der Berechnung der gegen ein vertikal integriertes Unternehmen verhängten Geldbuße zugrunde zu legen ist, grundsätzlich alle Umsätze zu umfassen hat, die mit dem Produkt, auf das sich die Zuwiderhandlung bezieht, im EWR erzielt wurden, einschließlich der damit innerhalb des Unternehmens erzielten internen Umsätze (C‑580/12 P, EU:C:2014:2363).

Das Urteil hat weit über die EU bzw. den EWR hinausreichende Folgen, denn Produktion und Vertrieb über weltweit agierende internationale Konzerne stellen ab einer gewissen Größenordnung eher die Regel als eine Ausnahme dar. Dabei mag man sich einerseits fragen, welches Ergebnis entsteht, wenn gleichzeitig zuständige Gerichtsbarkeiten Strafen verhängen. Im Fall etwa des LCD-Kartells erscheint durchaus auch koreanisches oder taiwanisches Wettbewerbsrecht einschlägig. Dabei mag das Abstellen vor allem auf die wirtschaftliche Bedeutung im Ergebnis gerechtfertigt sein. Andererseits überzeugt die Unterscheidung zwischen unternehmenszugehörigen Produktionsstätten und externen Herstellern nur zum Teil. Denn in der geschäftlichen Realität bestehen hier meist kaum Unterschiede. Zumal die durch Absprachen erzielte Marge in der Regel nicht bei den Produktionsstätten verbleiben dürfte.